«Die Freude am Sport ist wieder da!»
Nach einem langen Unterbruch meldet sich Mathias Flückiger mit seiner Fit-for-Life-Kolumne zurück. Erstmals geht es natürlich darum: Was ist in den letzten Monaten passiert? Wie hat Math die schwierigste Zeit seines Lebens gemeistert? Und wo steht er heute!!
«Ich kann wieder mit Freude trainieren. Und ich kann wieder Rennen fahren. Das ist eine Entwicklung, die für mich noch vor wenigen Monaten undenkbar weit weg schien. Umso schöner, ist dies nach einer brutal schwierigen Zeit nun wieder möglich. Dennoch nehme ich die Tage einen nach dem anderen, denn gross in die Zukunft blicken kann ich noch nicht, zu ungewiss ist die aktuelle Situation.
Mitteilung riss mir den Boden unter den Füssen weg
Der 18. August 2022 ist unwiderruflich in meinem Gedächtnis eingebrannt. Den Moment, als plötzlich mehrere Personen in den Mannschaftsbus von Swiss Cycling stiegen und die Türe hinter sich verschlossen, werde ich nie vergessen. Mir wurde eröffnet, dass ich aufgrund einer positiven Probe ab sofort gesperrt sei. Die Mitteilung riss mir den Boden unter den Füssen weg. Ich war nicht mehr funktionsfähig, konnte kaum mehr atmen und wusste nicht wie reagieren.
Auch in den ersten Tagen danach wäre es mir unmöglich gewesen, öffentlich etwas auf die Anschuldigung zu entgegnen, ich wusste ja gar nicht, was ich falsch gemacht haben sollte. Aber ich wusste – oder zumindest dachte ich so – dass mich gefühlt die ganze Schweiz verurteilen und als Dopingsünder betrachten würde. Mit der Sperre lösten sich alle meine persönlichen Werte schlagartig in Luft auf und ich verlor alles, was ich mir in 15 Jahren Rennsport aufgebaut hatte.
Allein hätte ich die erste Zeit wohl nicht überstehen können. Meine Partnerin Lisa hat spontan ihre Stelle als Primarlehrerein gekündigt, um mir beizustehen, und mein Bruder Lukas hat mich abgeschirmt, die Fäden und Kommunikation mit den Teamverantwortlichen in der Hand gehalten, Experten angefragt und Fakten zusammengetragen, um etwas Klarheit in diesem so unklaren Fall zu schaffen. Für ihre Unterstützung werde ich den beiden ewig dankbar sein wie auch allen anderen, die mir geholfen haben.
Getraute mich nicht nach draussen
Die ersten Wochen getraute ich mich nicht in die Öffentlichkeit. Ich fürchtete die Reaktionen der Leute. Als ich das erste Mal mit Lisa in den Wald fuhr, um etwas draussen zu sein, mussten wir noch tanken und Lisa ging an die Kasse. Plötzlich überkam mich die Angst, erkannt zu werden. Ich habe den Beifahrersitz runtergelassen und mir die Kapuze über den Kopf gezogen. Wenn ich daran zurückdenke, war das krass, zum Glück befinde ich mich heute moralisch wieder an einem anderen Ort.
Dafür verantwortlich waren drei Meilensteine: Die Aufhebung der Sperre durch die Disziplinarkammer am 17. Dezember war der erste. Als mich Lukas anrief, fiel mir ein zentnergrosser Stein vom Herzen. Mein Rennstart in Spanien Ende Februar war der zweite wichtige Schritt. Die herzlichen und sehr positiven Reaktionen der anderen Fahrerinnen und Fahrer bei den ersten Rennen haben mir mega gutgetan.
Der dritte Meilenstein war die Medienkonferenz anfangs März, bei der rund 30 Journalisten anwesend waren. Ich war unglaublich nervös, nachdem ich in all den Monaten zuvor keine Medien mehr konsumierte und auch kaum auf Social Media war. Ich konnte erstmals meine Geschichte erzählen und war positiv überrascht, wie differenziert mir zugehört wurde. Und ich realisierte, dass auch viele Journalisten mittlerweile sehen, dass es in diesem Fall enorm viele Ungereimtheiten gibt.
Wunsch nach vollständiger Aufarbeitung meines Falls
Ich bin dabei nicht wütend auf einzelne Menschen. Ich denke nicht, dass mir jemand aus persönlichen Gründen schaden wollte, ich finde es wichtig, dass eine Anti-Doping-Agentur unabhängig ihrer Arbeit nachgehen kann. Aber gleichzeitig bin ich noch heute bestürzt, dass eine derartige Vorverurteilung überhaupt passieren konnte. Deshalb möchte ich, dass der Fall vollständig aufgearbeitet wird und ich ihn eines Tages abschliessen und hinter mir lassen kann. Die Geschichte soll aber nicht vergessen werden, sie wird auch immer ein Teil von mir bleiben wie eine Narbe, die einen an schwierige Situationen im Leben erinnert.
In den nächsten Monaten werde ich auch sportlich wieder nach vorne schauen. Als nächstes Rennen fahre ich am Ostermontag das nationale Strassenrennen in Kiesen (Be) und danach den CIC ON Swiss Bike Cup in Schaan, bevor es i Mai mit den Weltcuprennen losgeht.»
Der nächste Trail Talk erscheint am 4. Mai im Fit for Life!