«Das schöne Gefühl der Nummer 1 nehme ich gerne mit!»
In seinem ersten Fit-for-Life-Blog im neuen Jahr spricht Mathias Flückiger über seine Saisonvorbereitung mit dem Ziel Olympische Spiele in Paris. Wir wünschen eine spannende Lektüre!
Ein Olympia-Jahr ist für jeden Sportler speziell und erfordert durch die ganz klare Priorität auch eine spezielle Vorbereitung. An die letzten Olympischen Spiele vor drei Jahren in Tokio denke ich natürlich sehr gerne zurück. Das Jahr 2021 war für mich ein ganz besonderes Jahr. Ich gewann an den Olympischen Spielen die Silbermedaille und gleichzeitig den Gesamtweltcup. Damit gelang mir der definitive Durchbruch in die Weltspitze.
Die Qualifikationsphase für Paris bringt eine Zusatzanspannung mit, die ich aber optimistisch angehe. Das schöne Gefühl, als Nummer 1 der Weltrangliste ins neue Jahr zu starten, nehme ich gerne mit, zumal die Situation zu Beginn der vergangenen Saison für mich sehr ungewiss war und ich mit einem schweren Rucksack beginnen musste. Dass ich dann am Schluss des Jahres als Weltranglistenführender in die Winterpause gehen konnte, war für mich eine riesige Genugtuung und eine enorme Zusatzmotivation für die neue Saison.
Schweiz als Mountainbike-Nation
Durch die spezielle Situation in der Schweiz entsteht natürlich auch Druck, denn in keinem anderen Land ist die Qualifikation für Olympische Spiele derart schwierig. Die Schweiz ist die Nummer 1 im Nationen-Ranking, aber für Paris gibt es leider nur zwei Startplätze pro Land. Einerseits kann ich verstehen, wenn das Internationale Olympische Komitee möglichst viele Sportarten integrieren will und dadurch die Startfelder begrenzen muss, aber gleichzeitig finde ich es sehr schade, dass durch diese Regelung nicht die weltbesten Fahrer am Start stehen können.
Beim wichtigsten Rennen dieser Sportart ist dadurch die Qualität nicht gegeben. Aktuell sind sieben Schweizer in der UCI-Weltrangliste unter den Top 30. Mit Nino Schurter, Lars Forster und mir sind drei Schweizer in den Top 6 der Weltrangliste. So gibt es mehrere Schweizer, die Weltcuprennen gewinnen können – doch nur zwei davon werden in Paris starten können. Das ist bedauerlich.
Olympische Spiele sind für jeden Sportler das Grösste in seiner Karriere und die sportlich bestmögliche Qualität sollte garantiert sein. Unter den geltenden Kriterien ist das aber nicht möglich. So wird es einfacher sein, bei den Olympischen Spielen in die Top 10 zu fahren als bei einem Weltcuprennen in die Top 15, das ist doch seltsam. Zumindest die Top 30 der Welt sollten bei Olympischen Spielen am Start stehen dürfen. Kann es sein, dass diese Regelung in Zukunft sogar die Wichtigkeit dieses Anlasses in Frage stellt?
Nicht alles umkrempeln
Die Saisonplanung gehe ich ruhig und zuversichtlich an. Mit der Erfahrung der letzten Jahre habe ich gelernt, dass es vor jeder Saison gewisse Anpassungen braucht, um neue Reize setzen zu können. Gleichzeitig weiss ich auch, was für mich wichtig ist und was sich bewährt hat. Daher gibt es keinen Grund, alles umzukrempeln.
Ich brauche immer einige Rennen, um in Fahrt zu kommen. Deshalb werde ich nicht von Beginn weg alles auf eine Karte setzen. Bis Ende Januar bin ich noch in Gran Canaria am Trainieren. Anschliessend verbringe ich knapp einen Monat in Südafrika. In der Saisonvorbereitung bin ich teils mit der Nationalmannschaft unterwegs, teils aber auch mit meinem Team Thömus maxon. Der Weltcup beginnt anfangs April in Brasilien.
Aktuell sind wahrscheinlich Nino und ich in der besten Ausgangslage für einen Olympia-Startplatz, aber schlussendlich werden die Karten zu Beginn der neuen Saison neu gemischt. Es kann immer etwas passieren, sei es ein Defekt in einem Rennen oder eine Verletzung oder einfach kein optimaler Saisonstart. Sicher wichtig sind die Formkurve und ein kontinuierlicher Formanstieg. Wobei man nicht zu früh in Form sein sollte, denn zweimal in einem halben Jahr in Topform zu sein, geht kaum. Schlussendlich ist es einfach: Ich muss Leistung zeigen und dann kommt es automatisch gut. Wenn man mit der aktuellen Konstellation und dem Druck nicht umgehen kann, ist man auch nicht gewappnet für einen Grossanlass.
Alter kein Thema
Jüngst wurde ich gefragt, ob es mit meinen 35 Jahren nicht immer schwieriger werde, mit den Jungen mitzuhalten. Tatsächlich sind die meisten meiner aktuellen Gegner unter 30 Jahre alt. Dem kann ich entgegenhalten, dass man sich im Laufe der Jahre und mit der Erfahrung stetig weiterentwickelt und ich mich heute nicht weniger spritzig fühle als in jüngeren Jahren. Daher ist mein Alter noch kein Thema. Und wenn man einen Blick aufs Fahrerfeld wirft, fällt auf: Die Favoriten von Tokio 2021 gehören auch drei Jahre später zu den Favoriten auf die vordersten Plätze.
Gleichzeitig gilt für mich die Devise, dass ich mich in erster Linie auf mich konzentrieren muss. Was aber nicht heisst, dass ich mich nicht mit meinen Gegnern auseinandersetze. Aus den vielen Rennen kenne ich die einzelnen Fähigkeiten und Eigenheiten der einzelnen Fahrer. Und je nach Rennsituation spielt es eine wesentliche Rolle, mit wem man unterwegs ist. Video-Analysen von einzelnen Fahrern mache ich aber nur sehr selten. Da sind Rundenzeiten bei den Rennen aussagekräftiger, daran kann man sehen, wozu ein Fahrer imstande ist.
In der entscheidenden Rennphase ist es wichtig zu wissen, welche Taktik ich anwenden soll. Ich sage aber nicht im Voraus, dass ich nicht mit dem oder diesem Fahrer in die letzte Runde kommen will. Damit würde ich mich zu sehr einengen und wohl auch verkrampfen. Und ich wäre zu stark am Studieren und würde zu wenig intuitiv entscheiden. So würde man auch eine bestimmte Taktik vom anderen erwarten und könnte dann bös überrascht wären.»
Der nächste Trail Talk erscheint am 7. März im Fit for Life!