«Die goldene Essformel gibt es nicht»
In seinem zweiten Fit-for-Life-Blog spricht Mathias Flückiger über seine Ernährungsgewohnheiten und warum es eine gefährliche Gratwanderung ist den Fokus auf das Gewicht zu legen. Wir wünschen viel Spass beim Lesen!
Ich bin bereits als Kind mit einer gesunden Ernährung aufgewachsen. Meine Eltern besitzen einen Bio-Bauernhof und meine Mutter legte schon immer Wert darauf, vor allem biologisch hergestellte Grundnahrungsmittel zu bevorzugen und möglichst wenig verarbeitete Lebensmittel zu essen. Fleisch gehörte bei uns zwar dazu, aber sehr gemässigt und bei weitem nicht bei jeder Mahlzeit.
Den Grundsätzen meiner Mutter bin ich bis heute treu geblieben, mit dem Unterschied, dass ich heute gar kein Fleisch mehr esse und mich vegetarisch ernähre. Da meine Partnerin ebenfalls Vegetarierin ist, passt das bestens zu unseren Kochgewohnheiten. Unser Kühlschrank ist zu 90% mit Bio-Lebensmitteln gefüllt. Der bekannte Spruch «Du bist, was du isst», passt zu meiner grundsätzlichen Einstellung gegenüber der Ernährung und der Herstellung von Lebensmitteln.
Als Spitzensportler ist die Ernährung im Alltag allerdings nicht immer auch im Sportmodus anwendbar, denn da gelten andere Kriterien. Das gilt auch für Trainingslager in fremden Ländern, da kann man den Bio-Anspruch ebenfalls nicht immer einhalten. Bei Trainingslagern mit der Nationalmannschaft werden wir aber gut beraten, da muss ich mir keine speziellen Gedanken machen.
Das Knowhow, was in welchen Sportsituationen am besten ist, habe ich mir über die Jahre mit meinen eigenen Erfahrungen und im Austausch mit Sportlern, Trainern und auch mit dem Lesen von Büchern selbst angeeignet. Wahnsinnig kompliziert ist das nicht, denn ich bin überzeugt, dass der Körper sagt, was er braucht, wenn man aufmerksam ist. Darum habe ich auch keinen Experten oder Berater, der mir einen Ernährungsplan zusammenstellt. Die «goldene Essformel» für die perfekte Ernährung gibt es nicht, jede und jeder muss sein eigenes System entwickeln.
Kohlenhydrate an erster Stelle
Im Sportmodus an erster Stelle stehen die Kohlenhydrate. Ohne Kohlenhydrate wären derart intensive Beanspruchungen, wie wir sie während eines Rennens leisten müssen, nicht möglich. Daher ist es wichtig, mit gefüllten Speichern an der Startlinie zu stehen und auch während des Wettkampfs genügend Kohlenhydrate aufzunehmen. Im Rennen verpflege ich mich nur flüssig und nehme nichts Festes zu mir, das ist im Wettkampfmodus nicht möglich.
Wie viel Flüssigkeit das pro Stunde ist, kann ich gar nicht genau sagen, denn die Menge ist speziell auf ein Rennen hin ausgerichtet. Je nach Dauer und Charakter des Rennens berechne ich zuerst die gesamte Kohlenhydratmenge für das ganze Rennen und rechne diese dann auf die dafür benötigte Trinkmenge um. Dann berechne ich ausgehend von dieser Gesamtmenge Flüssigkeit die Menge für die einzelnen Runden, und diese wird dann in die Bidons abgefüllt. So ist gewährleistet, dass ich erstens in jeder Runde genug trinke und zweitens kein überflüssiges Gewicht mittrage, wenn der Bidon ganz gefüllt wäre. Insgesamt sind es wohl rund 1-1,2 Liter Flüssigkeit pro Stunde.
Früher ging man davon aus, dass man bei intensivem Sport nicht mehr als rund 60 Gramm Kohlenhydrate pro Stunde aufnehmen kann, heute aber weiss man, dass in der passenden Zusammensetzung rund 90-100 Gramm pro Stunde möglich sind. Welche Zusammensetzung am besten funktioniert bzw. der Magen bei Höchstbelastung verträgt, muss jeder Sportler selbst herausfinden und vor allem auch austesten. Den Magen kann man diesbezüglich durchaus trainieren.
Die letzte Mahlzeit vor dem Rennen nehme ich mindestens vier Stunden vorher ein. Andere Athleten essen noch deutlich später vor den Wettkämpfen. Wichtig für mich dabei ist: Die letzte Mahlzeit ist glutenfrei. Meist ist es ein Reisgericht. Danach verpflege ich mich nur noch flüssig.
Heikles «Gewichteln»
Obwohl das Körpergewicht bei einem Cross-Country-Rennen eine Rolle spielt, muss ich mich nicht speziell damit auseinandersetzen. Das viele Training und die Wettkämpfe sorgen automatisch dafür, dass ich nicht zu schwer bin. Früher gab es allerdings schon Zeiten, als ich am «gewichteln» war. Ich habe dann aber realisiert, dass durch ein rigides Essverhalten die Erholung und die Ausgeglichenheit gelitten haben und mir die Substanz fehlte.
Den Fokus auf das Gewicht zu legen, ist eine gefährliche Gratwanderung. Dass in modernen Radrennteams täglich das Gewicht gemessen und analysiert wird, finde ich heikel. Es ist mental sehr belastend, wenn das Idealgewicht für einen Sportler einen derart hohen Stellenwert erhält. Ich achte vor allem auf ein gutes Training und mein natürliches Sättigungsgefühl. Im Winter bin ich meist 2-3 Kilo schwerer, was aber auch auf die Intensivierung des Krafttrainings in dieser Zeit zurückzuführen ist. In Topform bin ich 62 Kilo schwer.
Kaum Supplemente
Bei einer gesunden Ernährung braucht es meiner Meinung nach kaum Supplemente. Eine Ausnahme bei mir ist das Eisen, da muss ich manchmal aufpassen, dass mein Wert nicht zu tief ist. Bei der spezifischen Sporternährung achte ich darauf, dass möglichst wenig Zusatzstoffe in den Produkten drin sind. Aus meiner Erfahrung wird dadurch die Verträglichkeit schlechter.
Mein Tipp an Hobbysportler: Die Ernährung ist wichtig, aber man sollte keine übertriebene Wissenschaft daraus machen. Wer sich im Alltag gesund ernährt, macht schon vieles richtig. Was sich im Sportmodus persönlich bewährt, muss man mit Ausprobieren individuell herausfinden. Ich halte mich da an die Devise: Entscheidend sind genügend Kohlenhydrate und möglichst wenig Zusatzstoffe in den Produkten.
Der nächste Trail Talk erscheint am 25. April im Fit for Life!